An der Saale hellem
Strande
An der Saale hellem Strande
stehen Burgen stolz und kühn.
Ihre Dächer sind verfallen,
und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehn darüber hin.
Zwar die Ritter sind verschwunden,
nimmer klingen Speer und Schild.
Doch dem Wandersmann erscheinen
auf den altbemoosten Steinen
oft Gestalten zart und mild.
Und der Wandrer zieht von dannen,
denn die Trennungsstunde ruft.
Und er singet Abschiedslieder,
Lebewohl tönt ihm hernieder,
Tücher wehen in der Luft.
Wie die Saale zu ihren Namen
kam...
Vor langer, langer Zeit fand in den Dickichten und Felsklüften des Fichtelgebirges eine große Jagd statt. Bei der Verfolgung eines angeschossenen Hirsches kam ein junger Jäger vom
Jagdgefolge ab und verirrte sich in dem weg- und steglosen Urwald.
Er wanderte viele Tage ohne Ruhe und Rast und stieß trotz allen Suchens auf keine menschliche Wohnung. Schließlich sank er, von Anstrengung, Hunger und Durst müde und matt, zu Boden
und schlummerte sogleich fest ein. Es dauerte nicht lange, da stellte sich das Fieber ein und in seinem Wahn murmelte er dauernd: "Wasser, Wasser, ich verdurste, ich
verbrenne".
Da erschien eine wunderschöne Quellnymphe, die aus einem dicht neben dem Schläfer plätschernden Rinnsal Wasser schöpfte und es dem Jägersmann reichte. Nachdem er seinen Durst
gestillt hatte, fragte er die Nymphe nach ihrem Namen und sie antwortete: "Ich heiße Saale und du bist in meinem Reich. Alle tausend Jahre verirrt sich ein Menschenkind zu mir. Wenn ich es vor dem
Tode retten kann, so wird mir für ein neues Jahrtausend das Leben gegeben.
Du brauchst mir also für deine Rettung nicht zu danken, denn mit dir kann ich auch weiter auf der Erde bleiben." Darauf sprach der Jäger: "Dir allein verdanke ich mein Leben, ohne
dich hätte ich jämmerlich verdursten müssen. Wenn du davon auch deinen Nutzen hast, so will ich doch dankbar sein und will dieses Bächlein nach deinem Namen nennen; es soll fortan Saale
heißen.
Ich will seinen Lauf verfolgen und allen Menschen sagen, was du für mich getan hast. So wird dein Name in aller Menschen Mund kommen und wird weiter leben für immer und alle Zeiten."
Nachdem sie so zueinander gesprochen hatten, nahmen sie Abschied. Der Jäger tat, wie er versprochen. Er wanderte an dem Bächlein entlang, das mit jedem weiteren Tag seiner Reise größer und
stattlicher wurde.
Allen Menschen aber, denen er begegnete -und das waren viele, die an dem Fluß Wohnung und Arbeit gefunden hatten- erzählte er seine Geschichte und so wurde der bis dahin namenlose
Fluß Saale genannt.